Kommentar
Schweiz muss sich vom Krämergeist verabschieden
Die Schweiz hat es lange gut verstanden, sich als Hort von Vermögen aus aller Welt zu positionieren. Nun steht sie unter Druck. Das ist auch aus christlicher Sicht eine Chance.
Die Schweizer Politik und vor allem die Schweizer Finanzbranche stehen unter gewaltigem Druck. Banken sollen nur noch Gelder annehmen, die im Herkunftsland der Vermögenden auch versteuert werden. Was Europa und Amerika lange toleriert hat, weil der Staatshaushalt einigermassen in Ordnung war, hat sich seit der Wirtschafts- und Finanzkrise seit 2008 stark verändert. Es gilt nicht mehr als Kavaliersdelikt, dem Staat Millionen an Steuern zu hinterziehen.
Doch nicht nur die Gier der Banken steht im Rampenlicht. Auch der Strafprozess in Bellinzona, wo es um Milliardensummen im Zusammenhang mit Zigarettenschmuggel geht, Potentatengelder in der Schweiz, Millionenboni ... und auch die Diskussion um das Nazigold ist noch in unguter Erinnerung. Und noch werden weiterhin riesige Vermögen angezogen und gehortet – auch aus Ländern des Südens, die den dortigen Staaten fehlen. Unter dem Vorwand «Steuerwettbewerb» werden Konzerne angezogen, die mit Milliarden operieren und spekulieren.
Ich erinnere mich gut an einen Vortrag des Unternehmers und Coachingfachmanns Michael Koegler, der 2006 an einem Vortrag in Bern die Worte aussprach: «Die Schweiz hat einen Krämergeist.» Der Präsident der International Christian Chamber of Commerce (ICCC) versuchte das Phänomen zu erklären, dass die Schweiz wie wenige Länder unzählige Milliarden hortet, ohne Rücksicht darauf, woher sie kamen und vor wem sie versteckt werden.
Michael Koegler erklärte das Phänomen aus dem Sicherheitsdenken der Schweiz: Schweizer hätten während der vergangenen Jahrhunderte oft feudalistische Verhältnisse und politische Instabilität erlebt. Dies habe zu einem übermässigen Sicherheitsdenken geführt und zur Überzeugung, dass sich diese Sicherheit am besten durch Geld garantieren liesse.
In der Folge seien unsere Banken zu einem Hort von Fluchtgeldern aus aller Welt geworden, Geld, an dem oft auch Blut klebte. So sei eine über Generationen hinausreichende Ungerechtigkeit entstanden. Die Schweiz sei praktisch vom Mammon vergiftet. Koegler spitzte die Analyse zur Aussage zu: «Es ist höchste Zeit, vom Krämergeist Abschied zu nehmen.»
Um diesen Krämergeist auszutreiben, braucht es mehr als einen Exorzismus, nämlich vor allem Einsicht. Dass jetzt sogar Banken eine Weissgeld-Strategie wollen, macht Hoffnung. Dass strenge ethische Grundsätze im Finanzbereich nicht nur von Christen verlangt werden, ist neu.
Schon vor Jahren haben christliche Ökonomen gefordert, die Unterscheidung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung aufzuheben und damit auch die Möglichkeit, die Schweizer Banken als Steuerfluchtort zu gebrauchen. Dass sich heute etwas bewegt, auch wenn dazu viel Druck nötig war, macht zuversichtlich. Möge der Krämergeist einem Geist der Ehrlichkeit, der Transparenz und der Solidarität weichen. Einem neuen Geist von oben, der unser Land durchweht.
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Quelle: Livenet