Ethische Werte in der Wirtschaft

«Die Bibel das beste Lehrbuch für Unternehmensführung»

Bernard A. Siegfried war von 1998 bis 2003 Präsident des Verwaltungsrates der Siegfried Holding AG. 2003 wurde er vom Verwaltungsrat zum Ehrenpräsidenten gewählt. Der ehemalige Manger über Werte und die Einbindung der Zehn Gebote in den Wirtschaftsalltag.

In der Wirtschaft ist der Profit der oberste Wert. Sind für Sie auch andere Werte massgebend?
Gewinn darf nicht oberstes Unternehmensziel sein, obwohl das Erzielen von Gewinn für das Überleben eines Unternehmens entscheidend ist. Denn ein Unternehmen soll nicht primär Geld produzieren, sondern hat einen höheren Zweck, der nicht quantitativ, sondern qualitativ umschrieben werden sollte. Die Beschreibung des angestrebten Kundennutzens beispielsweise. Bei Siegfried gilt seit den frühen 90er Jahren Unabhängigkeit als oberstes strategisches Ziel. Seither konzentrieren wir uns konsequent auf die Stärkung unserer Kernkompetenzen und Kontrolle unserer Risiken, was sich sehr positiv auf die Entwicklung des Unternehmens ausgewirkt hat. Allerdings gilt es zu unterscheiden zwischen langfristigen und kurzfristigen Zielen. Bei letzteren kann Gewinnoptimierung als oberstes Ziel durchaus Sinn machen, zum Beispiel. dann, wenn mangels genügendem Gewinn nicht mehr investiert werden kann, oder noch schlimmer, wenn ein Liquiditätsengpass besteht, der das Überleben des Unternehmens akut gefährdet.

Können die Bibel oder die Zehn Gebote Grundlagen des unternehmerischen Handelns sein?
Ich bin überzeugt, dass die Bibel das beste Lehrbuch für Unternehmungsführung ist, vor allem wenn es um Unternehmensethik geht. Auf den Gebieten Führung, Planung, Finanzen, Personalpolitik und Verkauf finden wir in der Bibel wertvolle und heute noch gültige Denkanstösse.

Auch die Zehn Gebote sind für unternehmerisches Handeln wegleitend, vorausgesetzt, sie werden nicht gesetzlich und mit erhobenem Zeigfinger ausgelegt und angewendet. Dazu einige Beispiele:

Drittes Gebot: Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebten sollst du ruhen. In unseren Produktionsbetrieben wird mehrschichtig gearbeitet, was auch zu Sonntagsarbeit führen kann. Da muss auf andere Weise sichergestellt sein, dass die Arbeitstage durch Ruhetage unterbrochen werden, denn das Gebot, am siebten Tag auszuruhen, macht auch arbeitspsychologisch Sinn.

Fünftes Gebot: Du sollst nicht töten. Täglich werden in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung Menschen getötet ohne einen Tropfen Blut zu vergiessen. Es geschieht durch Mobbing unter Arbeitskollegen und «Fertigmachen» durch Vorgesetzte. Das schadet dem Arbeitsklima und zerstört die Arbeitsmoral. Es ist Pflicht der obersten Führungsverantwortlichen, solches konsequent zu unterbinden.

Siebtes Gebot: Du sollst nicht stehlen. Steuerbetrug, Wucherpreise und Lohndumping fallen ebenso unter dieses Gebot wie Absentismus und getürkte Spesenabrechnungen.

Sind die ethischen Bekenntnisse der Firmen ehrlich und aufrichtig oder nur Werbemittel?
Mehr und mehr Unternehmen legen heute ihre ethischen Geschäftsgrundsätze schriftlich fest und publizieren sie in Geschäftsberichten, Firmenbroschüren und Personalhandbüchern. Ich bin überzeugt, dass die meisten dieser Ethikbekenntnisse ehrlich gemeint sind. Dass damit auch versucht wird, das Unternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung in einem guten Licht erscheinen zu lassen, ist durchaus verständlich und legitim. Entscheidend ist aber, ob und wie solche Ethikbekenntnisse und -normen in der Praxis umgesetzt werden, vor allem wenn gelebte Unternehmungskultur und angestrebter Ethikzustand nicht deckungsgleich sind. Dann ist ein sehr anspruchsvoller Lernprozess notwendig, der bei den obersten Führungsverantwortlichen beginnen muss und oft auch nur durch personelle Veränderungen erfolgreich ist.

Ist Globalisierung gut oder schlecht?
Globalisierung ist weder gut noch schlecht. Sie ist eine wirtschaftliche Realität unserer Zeit, mit der wir uns auseinandersetzen müssen, ob sie uns passt oder nicht. Globalisierung ist nichts anderes als eine Folge erhöhter Transparenz der Wirtschaftsinformationen und erhöhter Mobilität des Kapitals. Sie wird gefördert durch zunehmende politische Liberalisierung (zum Beispiel), technologischen Fortschritt (insbesondere Informatik) und durch bessere Ausbildung, vor allem junger Männer und Frauen (insbesondere in Osteuropa und Südostasien). Diese Entwicklung ist grundsätzlich positiv, weil sie global gesehen den Wohlstand mehrt. Sie kann aber lokal zu Wohlstandszerwürfnissen führen, wenn der damit verbundene Anpassungsprozess nicht in geordneten Bahnen verläuft (zum Beispiel bei Auslagerungen von Produktionsstätten). Die weit verbreitete Verteufelung der Globalisierung rührt daher, dass die meisten Globalisierungsgegner nicht wissen, was Globalisierung ist. Sie orten die Ursachen der Globalisierung im Machtmissbrauch durch Grosskonzerne, in Wirtschaftsmacht ganz generell. Durch die dadurch empfundene eigene Machtlosigkeit wird die Globalisierung zum Feindbild und verantwortlich gemacht für alles Elend und für alle Ungerechtigkeit in der Welt.

Wo und wie stehen Unternehmer heute unter besonderem Druck?
Der grösste Druck geht heute von den sich rasch verändernden Märkten aus, eine Folge der Globalisierung und des technologischen Wandels. Um diesem Druck standzuhalten, muss ein Unternehmen flexibel sein und auf Veränderungen rechtzeitig reagieren.

Welche Werte werden in der Wirtschaft belohnt?
Am meisten werden Transparenz, Wahrheit und Ehrlichkeit belohnt.

Welchen Werten ist die Siegfried Gruppe verpflichtet?
Es sind im Wesentlichen die obgenannten Werte, wobei auch bei uns das Sollen, Wollen und Sein nicht immer übereinstimmen. Auch Siegfried befindet sich diesbezüglich immer noch in einem Lernprozess. Im Vorwort zu unserer Corporate Governance (Ethik-Kodex, Handlungsgrundsätze) steht der Satz : «Siegfried ist grundsätzlich dem gegenseitigen Vertrauen und der Transparenz gegenüber Aktionären, Mitarbeitenden, Wirtschaftsjournalisten und Finanzanalysten verpflichtet».

Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie als Manager von Siegfried beim Thema «Werte» gemacht?
Eine Schlüsselerfahrung war mein «Outing» als gläubiger Christ. Nachdem ich im Jahre 1987 Jesus Christus in mein Leben aufgenommen hatte, geriet Siegfried in den Jahren 1990/91 in eine Führungskrise, die für mich persönlich sehr bedrohlich war und die ich nur dank meiner neu gewonnenen Glaubenskraft überstanden habe. Ich bin aus einem Machtkampf innerhalb des Verwaltungsrates als Sieger und geläutert hervorgegangen. Das war nicht selbstverständlich und ich wusste, wem ich es letztlich zu verdanken hatte. Diesem Dank wollte ich Ausdruck geben, indem ich mich vor meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen als Christ bekannte und über meinen Glauben sprach. Dies geschah an Betriebsversammlungen, an Werteseminaren, aber auch in Einzelgesprächen. Die Auswirkungen waren spürbar: Der Geist im Unternehmen veränderte sich und ich spürte zwischenmenschliche Wärme und Vertrauen in einem bisher nicht gekannten Masse.

Bernard A. Siegfried hat an der Universität St. Gallen ein wirtschaftswissenschaftliches Studium abgeschlossen. Er ist seit 1959 verheiratet und hat drei erwachsene Söhne und sieben Enkelkinder

Quelle: Christ und Wirtschaft


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