Willow-Creek-Kongress
Michael Herbst: «Barmherzigkeit macht andere stark»
In Gemeinden in Deutschland müsse Barmherzigkeit nach dem Vorbild Jesu wieder neu geübt werden, besonders mit Blick auf die aktuelle Flüchtlingskrise. Dazu rief Michael Herbst, Professor für Praktische Theologie an der Universität Greifswald, beim Willow-Creek-Leitungskongress in Hannover auf.
Barmherzigkeit sei etwas, was laut der Bibel geboten und nicht empfohlen sei, sagte Michael Herbst. Auf jeder Seite der Bibel stosse man auf Gottes Barmherzigkeit gegenüber leidenden Menschen. «Gott liebt Erbarmen. Jesus kommt als barmherziger Samariter, als der Arme, der reich macht, als der Herr der Herren», sagte Herbst.Kirche als Ort der Barmherzigkeit
Die Bibel zeige, dass Barmherzigkeit den freiwilligen Verzicht auf maximalen Profit bedeute. Das werde deutlich, als Gott die Israeliten im Alten Testament anweise, etwas von der Ernte auf den Feldern für die Armen und Hungernden zurück zu lassen. Alle biblischen Hinweise gipfelten in den Wunsch Gottes, dass «überhaupt kein Armer unter euch sein soll».
Für Gemeinden gehe es deshalb darum, sich nicht um sich selbst zu drehen, sondern «sich selbst zu investieren und fröhlich mit anzupacken». Menschen müssten «vor allem Barmherzigkeit spüren, wenn sie in unsere Gemeinden kommen», sagte Herbst. Wer Jesus folge, könne nicht am Elend vorbei gehen, ohne Erbarmen zu spüren und Erbarmen zu tun.
Wissen, was Menschen wirklich hilft
Wer Barmherzigkeit leben wolle, dürfe sich nicht als etwas besseres halten als die Ärmsten der Armen. «Nur unser Ja zu geistlicher Armut kann uns helfen, den materiell Armen zu begegnen», sagte Herbst und bezog sich damit auf die Aussage Jesu, selig seien nicht nur die materiell, sondern auch die geistlich Armen.
Beim Helfen und Erbarmen komme es darauf an, sich nicht überheblich zu verhalten. «Viele Akte von Barmherzigkeit lösen unsere Probleme und Gewissensnot, weil wir es nicht aushalten, das Leid zu sehen», sagte Herbst. Eine Studie der Weltbank unter 60'000 materiell Armen weltweit habe jedoch gezeigt, dass die Armen sich nicht zuerst die Hilfe wünschten, die Entwicklungshelfer anböten. «Die Armen dachten zuerst an Würde, an Respekt und an Ermächtigung, das eigene Leben in die Hand zu nehmen anstatt an fliessendes Wasser.» Als Helfer «müssen wir wissen, was Menschen wirklich auf die Beine hilft». Wer wirklich helfen wolle, müsse darauf schauen, welche Gaben und Ressourcen bei den Menschen selbst vorhanden seien. Helfer sollten die Gaben der Bedürftigen «hervorlocken». Herbst sagte: «Barmherzigkeit macht andere stark.»
«Unsere Kanzlerin hat Recht»
Auch auf die Flüchtlingskrise nahm der Professor für Praktische Theologie Bezug. Durch die Menschen, die nach Deutschland strömten, habe Gott den Missionbefehl auf den Kopf gestellt. «Gott schickte die Welt zu uns», sagte Herbst. Unabhängig von allen politischen Problemen seien diese Menschen «einfach da». Herbst ist überzeugt, dass sie «nicht nur unser Land, sondern auch unsere Kirche verändern». Besonders die Offenheit der Menschen aus dem Iran für den christlichen Glauben sei für ihn ein Wunder Gottes. Gott öffne mit dieser Krise eine neue Tür. Die Christen seien aufgefordert, «Jesus intuitiv zu folgen».
Trotz aller Schwierigkeiten glaube er, «dass unsere Kanzlerin Recht hatte: Wir können das schaffen. Wir sind ein reiches, grosses Land, weil eine Weltgemeinschaft 1945 mit uns Erbarmen hatte.» Herbst scherzte: «Wir schaffen keinen Hauptstadtflughafen, aber das hier können wir schaffen mit preußischer Gründlichkeit.» Dabei müsse aber klar sein, dass es ab jetzt nicht nur ums Abgeben gehe, sondern auch ums Teilen. «Das bedeutet auch, ärmer zu werden», stellte Herbst klar.
Weitere Artikel zur Willow-Creek-Konferenz in Hannover finden Sie auch beim pro Medienmagazin.
Der nächste Willow-Creek-Leitungskongress findet vom 8. bis 10. Februar 2018 in der Dortmunder Westfallenhalle statt.
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Quelle: PRO Medienmagazin